4 Tage auf dem Spessartbogen
Es ist Samstag früh, der erste Tag von meinem Urlaub. Ich stehe am Bahnsteig und warte auf den Zug. Es soll für 5 Tage in den Spessart auf den Eselsweg gehen, 110km von Schlüchtern bis Großheubach. So ist jedenfalls der Plan. Voller Vorfreude steige ich in den Zug nach Göttingen. Unterwegs gehe ich in Gedanken nochmal meine Packliste durch. Hab ich alles? Eigentlich ja. Oder? Dann fällt es mir ein, der Wasserfilter liegt noch in der Spüle!
Ich fange an hektisch nach Outdoor Geschäften zu googeln. In Göttingen habe ich eine halbe Stunde Aufenthalt. Aber die Geschäfte machen erst um 10 auf, das ist zu spät. Also schaue ich nach Geschäften in Fulda. Und dort werde ich fündig: ein kleiner, aber feiner Outdoor Laden. Also mache ich noch eine Besichtigung der Fuldaer Innenstadt und halte wenig später einen neuen Katadyn BeFree in der Hand. Was für ein Glück! Wenn ich dort keinen Filter bekommen hätte, hätt ich wieder nach Hause fahren können. Meinen Anschlusszug hab ich natürlich verpasst. Aber eine Stunde später saß ich im nächsten Zug nach Schlüchtern.
Der Eselsweg startet direkt am Bahnhof in Schlüchtern. Keine Infotafel, kein erkennbarer Trail Head, nichts was darauf deutet das hier ein Fernwanderweg beginnt. An einem Baum gegenüber vom Parkplatz sehe ich das erste Wegezeichen, ein schwarzes E auf weißen Grund. Auch meine Fenix GPS Uhr ist der Meinung das ich hier richtig bin. Dann kann es ja los gehen!
Ich gehe durch Schlüchtern und kurz vor dem Ortsausgang treffe ich auf einen Wanderer aus der Region. Er fragte wo ich hin will und ich sagte das ich den Eselsweg gehen will. Er riet mir davon ab, denn der Eselsweg verläuft fast nur durch Wald und bietet kaum schöne Aussichten. Der Spessartbogen soll viel schöner sein. Vom Spessartbogen hatte ich noch nichts gehört. Aber in einem Forum hatte ich einen Bericht zum Eselsweg gelesen und da hieß es auch das der Weg teilweise wohl langweilig ist. Ich googelte den Spessartbogen und stellte fest, das es sich um einen zertifizierten Premiumwanderweg handelt. Das hat mich dann auch umgestimmt und so beschloss ich kurzerhand den Spessartbogen zu gehen. Dieser ist etwas kürzer, 90 statt 110km, beginnt in Langenselbold und endet offiziell in Schlüchtern. Ich gehe den Weg also verkehrt herum. Ist ja auch egal. Oder auch nicht, wie sich später zeigen wird…
Der Weg beginnt vielversprechend. Es geht bergauf durch einen kleinen Wald und dann erreicht man eine Hochebene, wo es über Wiesen weiter geht. Hier hat man schon die ersten Weitsichten über den Spessart. Ich bin voll motiviert!
Man sieht gut wie hügelig die Landschaft ist, da sind einige Höhenmeter zu erwarten. Insgesamt sollen es auf den 90km 2753 Höhenmeter sein. Offene Landschaft und Wald wechseln sich immer wieder ab. Richtig schön!
Nach einiger Zeit mache ich an einer Bank mit Tisch eine Pause. Es kommt eine Wanderin mit Hund vorbei. An ihrem großen Rucksack konnte ich schon erahnen, das sie entweder den Eselsweg oder den Spessartbogen geht. Bei einem kurzen Plausch stellte sich heraus, das wir den selben Weg gehen und so beschlossen wir den Weg zusammen zu gehen.
Wir unterhielten uns viel und es war schön nicht allein unterwegs zu sein. Denn wenn ich sie nicht getroffen hätte, dann wäre ich sehr einsam auf dem Weg gewesen. Uns ist beiden aufgefallen, das man auf den Wegen so gut wie keine Menschen trifft. Wir hatten eigentlich ein Wander und Mountainbike Mekka erwartet, ähnlich wie der Harz. Aber es war wie ausgestorben! Mir sollte das Recht sein, denn ich mag die Abgeschiedenheit. Auch ist die allgemeine Ruhe zu erwähnen. Man hört so gut wie keinen Straßenlärm.
Wir gingen durch Wälder und über Wiesen durch ein Naturschutzgebiet. Keine Menschen, kein Lärm, keine Hektik. Nur wir, der Weg und die Natur um uns herum. Es gab immer wieder interessantes zu sehen, wie z.B. mehrere Biberstaudämme und eine Biberburg an einem Bachlauf mitten im Wald. Laut einer Infotafel sind die Biber dort wohl seit Ende der achtziger Jahre heimisch.
Bei einer Bank machten wir eine Pause und mussten lachen als wir so da saßen. Es kam einfach niemand vorbei. Im Harz wären schon drei Wandergruppen vorbei marschiert, aber hier im Spessart war es menschenleer. Das wunderte uns schon sehr, so schön wie es hier ist.
Wir gingen noch ein paar Kilometer und suchten uns dann vor Einbruch der Dämmerung einen Übernachtungsplatz. Ich hatte mein Hängemattensetup mit der Warbonnet Ridgerunner dabei und sie ein Zelt. Wir fanden an einer Rückegasse einen ebenen Platz für ihr Zelt. Es dauerte nicht lange bis ich in meiner Hängematte schlummerte. In dieser Nacht schlief ich fast durch. Nur einmal wurde ich kurz wach und konnte den Ruf eines Waldkauz hören. Ich liebe diesen Ruf nachts im Wald. Glücklich schlief ich wieder ein.
Am nächsten Morgen ging es durch ein Tal mit einem Bachlauf. Der Frühnebel hing noch in dem Tal und die Sonne schickte erste Strahlen in den Wald. Es war wieder unglaublich schön zu dieser Zeit an diesem Ort zu sein. Der Bach mündete später in die Jossa. Am Jossatal entlang führt der Spessartbogen. Wir überquerten einmal die Landstraße und weiter ging es auf Landwirtschaftswegen zwischen Wiesen und Feldern Richtung Mernes. Mernes ist einer von zwei Orten die man auf dem Spessartbogen durchquert. Ansonsten umgeht der Weg die Ortschaften.
Ein Highlight an diesem Tag war ein kleiner Bachlauf im Wald. Hier haben wir unsere Wasservorräte aufgefüllt. Es ging weiter Begauf durch den Wald. Leider auf der Forstautobahn. Oben angekommen hatte man am Waldrand eine schöne Aussicht über das Jossatal. Und wenig später erreicht man auf dem Stackenberg eine der leider sehr wenigen Schutzhütten auf dem Weg. Der Weg geht nicht direkt an der Schutzhütte vorbei, aber der Abstecher von ein paar Metern lohnt sich. Denn dort kann man bis zur Röhn schauen. Neben der Menschenleere ist uns auch der Mangel an Schutzhütten und Rastplätzen auf dem Weg aufgefallen. Da gibt es noch Verbesserungsbedarf.
Es ging weiter Richtung Mernes. Dort haben wir uns in einer Pizzeria erstmal den Magen voll geschlagen. Gut gesättigt ging es wieder bergauf in Richtung Bad Orb, den zweiten Ort den man durchquert. Hier zeigt sich der Spessart Wald von seiner ganzen Schönheit! Ein traumhafter Mischwald der seinem Namen alle Ehre macht. Hier stehen Buchen, Eichen, Fichten, Kiefern, Lärchen, Birken und andere Baumarten wild durcheinander. Und der Wald sieht gesund aus. Selbst die immer mal wieder vorkommenden Fichtenäcker sind nicht vom Borkenkäfer heim gesucht worden. Für mich, der immer im Harz unterwegs ist, eine Wohltat mal keine toten und abgeholzten Wälder zu sehen.
Es geht steil bergab nach Bad Orb. Dort haben wir uns an einer Tankstelle mit Kaltgetränken versorgt und im Ort noch Kuchen gegessen. Und auch aus dem Ort heraus geht es wieder steil bergauf. An einer Hütte haben wir unser Nachtlager aufgeschlagen.
Am nächsten Tag ging es weiter durch Mischwald, Buchenwald und Nadelwald. Das wechselte sich immer wieder ab, es kam keine Langeweile auf. Aber man ist hier fast ausschließlich auf der Forstautobahn unterwegs. Das ist nicht so schön. Im späteren Verlauf lässt der Weg an Attraktivität auch nach. Man kommt an ein paar Ortschaften vorbei und geht in der Nähe einer gut befahrenen Landstraße auf befestigten Landwirtschaftswegen. Es bieten sich aber auch hier wieder schöne Aussichten.
An diesem Tag blieb meine Wanderbegleitung zurück. Sie hatte sich Blasen gelaufen und konnte nicht mehr weiter. Ich ging noch einige Kilometer bis ich in der Nähe einer Ortschaft mein Nachtlager aufschlug. An dem Zeitpunkt habe ich auch einen weiteren, großen Kritikpunkt an dem Weg gefunden: der Flugzeuglärm. Man befindet sich auf einmal in der Flugschneise des Frankfurter Flughafen. Die Flieger kommen im Minutentakt im Tiefflug. Mit der Ruhe ist es nun vorbei. Zum Glück gibt es ein Nachtflugverbot und so war dann kurz nach 22 Uhr auch Ruhe. Sonst hätte ich in dieser Nacht wohl kein Auge zu bekommen.
Am vierten Tag stehen die letzten 15 Kilometer des Weges an. Ich bin früh aufgestanden, denn ab 6 Uhr donnern wieder die Flugzeuge im Minutentakt über einen hinweg. An einer kleinen Hütte trinke ich eine Tasse Kaffee. Weiter geht es auf der Forstautobahn und später oft auf Asphalt und Landwirtschaftswegen. Immer begleitet vom Flugzeuglärm. An diesem Tag habe ich mich gefragt, wie der Weg die Premiumweg Zertifizierung geschafft hat. Immerhin ist die Beschilderung spitze! An nur 2-3 Stellen hätte ich mir ein Schild mehr gewünscht. Meine Fenix hätte ich zum navigieren nicht gebraucht.
Am offiziellen Startpunkt angekommen war ich überrascht, das es dort einen richtigen Trail Head gibt!
Fazit: Der Spessartbogen ist ein wirklich toller Fernwanderweg. Die erste Etappe (wenn man von Langenselbold startet) ist nicht so toll (Flugzeuglärm und Wegebeschaffenheit). Aber es wird im weiteren Verlauf immer besser. Darum empfehle ich auch ganz klar den Weg in die offizell vorgesehene Richtung zu gehen. Die Beschilderung ist fast perfekt, man braucht eigentlich keine Karte. Den Weg in vier Tagen zu gehen ist schon sportlich, weil doch einige Höhenmeter zu bewältigen sind. In fünf Tagen kann auch ein nicht so gut trainierter Wanderer den Weg bequem schaffen. Die Wasserversorgung stellte Anfang Mai kein Problem dar. Es gibt genügend Bäche und Quellen.
Und hier ist noch mein Video zur Spessartbogen Tour:
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